Der Untertitel dieses Blogs koennte heissen: Freuden und Leiden auf dem PCT waehrend des Ausnahmejahres 2017 oder so.
Wo sind bloss alle geblieben? Seit MO- Nachmittag, 12.6., seit ich mich wieder zurueck auf den PCT gemacht habe, ist mir niemand mehr begegnet, ausser einem Dutzend Hiker, die ein Schneesturm ins Tal getrieben hat.
Seither bin ich allein auf weiter Flur, einerseits vertraut, andererseits suchte ich Anschluss, um mit vereinten Kraeften Richtung Norden weitergehen zu koennen.
Am dritten Tag taucht ploetzlich ein Gehetzter in Gegenrichtung auf, er sei doch nicht lebensmuede, er habe schliesslich eine vierjaehrige Tochter. Er schaffe es nicht ueber den Mather Pass und ueberhaupt habe er es satt, staendig beim Laufen auf den Boden schauen zu muessen. Er gehe zurueck zur Haengebruecke und suche von dort einen Weg nach Fresno, ohne jegliche Orientierungshilfe. Er stopfte seine Medizin in die Pfeife, nahm ein paar hastige Zuege, bedankte sich ausgiebig dafuer, dass er meine Karten hat konsultieren duerfen und weg war er. Wenn das nur gut kommt.
Ich habe keine vierjaehrige Tochter, sterben will ich gleichwohl nicht, die Warnung klang nach.
Das Gehen auf der zerfurchten, vereisten oder aufgeweichten Schneeoberflaeche ist beschwerlich, da hat er recht. Der Zustand des Trails verlangt viel Geduld und Aufmerksamkeit. Er verschwindet immer wieder unter dem Schnee, taucht er auf, ist er oft ueberspuelt, das Gehen ist durch Geroell und Lawinen erschwert. Ganz zu Schweigen von den unsichtbaren Hohlrauemen, die sich auftun und einen zum einbrechen bringen.
MI 14.6.17
Ich uebernachtete im Blickfeld des Mather Passes. Um 4:00 in der Frueh zogen die ersten drei Hiker an meiner Schlafstatt vorbei, just, als ich aufbrach, kamen zwei Schotten daher. Ich war heilfroh, wieder unter Leuten zu sein. Die beiden Schotten freuten sich auf die bevorstehende Herausforderung, das half mir, die Sache lockerer anzugehen. Ein steiles Schneefeld zog sich zum Pass hinauf, es schien gut vorgespurt zu sein. Ich packte meinen Eispickel aus, den ich eigentlich nur als Dekoration, zur Beruhigung mitgenommen hatte. Eispickel bergwaerts, Wanderstock talwaerts. Kein spontaner Schritt. Sichern, gehen, sichern, gehen. Seit dem Foresterpass weiss ich, dass ich in Schneefeldern schwindelfrei bin. Nach einer Dreiviertelstunde war ich oben, das Adrenalin zirkulierte. Insgesamt fanden sich sieben Wanderer auf der Passhoehe und freuten sich miteinander ueber den gelungenen Aufstieg. Das fuehlte sich doch eher wie der alte PCT an, wo man staendig Leute antraf.
Gegen Abend mehrten sich die Zeichen, dass es Zeit wird, einen Zeltplatz zu suchen. Ich fuehlte mich erschoepft, die Unkonzentriertheiten nahmen zu, ich wurde ungeduldig, stolperte auch mal. Diese Zustaende halte ich fuer gefaehrlicher als schneebedeckte Paesse zu ueberqueren.
Selbstverstaendlich soll es ein schoenes Plaetzchen zum Zelten sein. Noch befand ich mich im Wald, Schneehaufen reihte sich an Schneehaufen.....und siehe da, es kam schlimmer. Die Schnee- und Geroellmassen einer Lawine musste ueberquert warden. Danach folgten eine Unzahl von Baechen. In solchen Momenten, wo eine Krise und Ueberreaktionen nahe sind, beginnen die Selbstgespraeche. Ich lotse mich durch die Schwierigkeiten hindurch, rede mir zu, bei der Sache zu bleiben. Ich uebernachtete schliesslich am ersten trockenen Flaeche, die mir begegnete.
Es scheint, als ob der PCT in diesem Zustand einen an die koerperlichen und psychischen Grenzen bringt.
FR der Dreizehnte?
Kurz vor der John Muir Ranch stand die Ueberquerung des Evolution Creeks an. An der offiziellen Stelle war dies nicht moeglich, der Bach tobte. Ein Stueck zurueck breitete der Fluss sich ueber etwa 800m aus, unuebersichtlich, aber langsam und flach.
Ich suchte lange und geduldig nach der Ideallinie, und ging am Ende gleichwohl baden. Der Moment ist mir noch sehr gegenwaertig. Ich geriet huefthoh in das Wasser, es war tiefer, als ich es eingeschaetzt hatte. Auf einmal wurde ich sanft abgehoben: die langsame Stroemung hatte wohl meinen Rucksack erfasst und der hat als Auftriebskoerper gewirkt. Ich schwamm, bevor ich wusste, wie mir geschah. Ich liess mich von der Stroemung ans Ufer treiben, dann noch einmal ins Wasser und ich war drueben. Ich strandete bei einer Feuerstelle, nach und nach trafen weitere sieben Leute ein; alle mehr oder weniger nass und schlotternd. Ki machte uns am meisten Sorgen, er war ueberfallig, war etwa eine Stunde unterwegs. Als er schliesslich auftauchte, war er stinksauer. Er und sein Gepaeck waren total durchnaesst. Erst die letzten Tropfen Southern Comfort konnten ihn einigermassen beruhigen.
Wir machten Feuer, kochten Tee und waermten uns auf. Erst da stellte ich fest, dass mein Minitablet nass geworden und ausgestiegen war. Das hat grosse Konsequenzen und nagte ziemlich lange an mir. Haette sich das nicht vermeiden lassen koennen, haette, sollte, muesste...
Unmittelbar ergab sich eine gute Loesung. Ich konnte mich den United Nations anschliessen: Robert, 29,Oesterreich, Tommii, 25, Finland und Ki, 37, Korea. Ich war dem Trio von Beginn weg immer wieder begegnet, haette aber nie zu fragen gewagt, ob ich mich durch die Sierra ihnen anschliessen duerfte. Als ich spaeter erfuhr, dass sie sich ueberlegt hatten, ihre Gruppe fuer die Sierra zu vergroessern und mein Name gefallen war, freute mich das sehr.
Wir Vier beschlossen, die Originialroute weiterzuverfolgen, die Warnungen, einige Fluesse betreffend waren zwei bzw. drei Wochen alt und schwer beurteilbar. Wir wurden umkehren, falls wir das Risiko als zu hoch einstufen wuerden. Wir sollten ueber Tage auf niemanden treffen, die wenigen anderen hatten die Alternativroute gewaehlt.
Morgen sollten wir auf den Bear Creek treffen, der als gefaehrlich galt. Es herrschte eine Mischung von Aufregung, Spannung und unerschuetterlichem Optimismus. Wir fanden relativ schnelle eine Stelle, wo wir den Bach sicher furten konnten. Wir wagten uns noch nicht zu freuen, es standen uns noch einige Baeche bevor. Tommii und ich wanderten ueber Stunden in Unterhosen, um uns nicht staendig umziehen zu muessen. Wir witzelten darueber, eine neue PCT- Kollektion herauszugeben.
Am Sonntag, 18.6.17 erreichten wir Vermillon Valley Ressort. Nach einer kurzen Verschnaufpause waren wir am Montagnachmittag wieder auf dem Trail. Die Querung des Mono Creek North Fork war anspruchsvoll, aber gefahrlos. Einmal mehr tauchte die Gefahr an unerwarteter Stelle auf. Am naechsten Tag standen wir vor einem gewaltigen Wasserfall, der Weg fuehrte gleich unterhalb durch die brodelnden Wassermassen. Seitlich waren Steine gelegt worden, was fuer Sicherheit sorgte, die Wassertiefe war nicht ersichtlich. Es war eine aussergewoehnliche, hoch emotionale Querung. Wir schrien waehrend des Watens, wohl ein Ausdruck von Aufregung und Ansporn. Wir schrien am anderen Ufer, vor Erleichterung und Dankbarkeit.
Ki hatte sich schweigend von der Stelle entfernt, verschwand flussabwaerts, um sich eine bessere Stelle herauszusuchen. Als er schliesslich, einmal mehr ueberfaehllig auftauchte, war er erschuettert. Er hatte sich eine gefahrliche Stelle ausgesucht und hatte sich beinahe nicht mehr daraus befreien koennen.