Sonntag, 11. Juni 2017

(Independence)- Bishop, 11./12.6.2017

Der Aufstieg über den Kearsage Pass zog sich im aufgeweichten Schnee dahin. Umso schneller ging der langezogene Abstieg vor sich. Rutschend, “skifahrend“ und manchmal den Hang hinunterspringend, die Unterlage ist ja weich.

Dieser Unterbruch in die Zivilisation war nicht geplant, sondern ist den diesjährigen Bedingungen geschuldet. Wir kommen langsam voran, rechnen etwa mit 10 Meilen pro Tag, das heisst, wir müssen mehr Futter mitschleppen. Die John Muir Ranch, wo ich gerne Nachschub gekauft hätte, öffnet dieses Jahr einen Monat später. Sie rechnen damit, vom Schmelzwasser “geflutet“ zu werden, antworteten sie. Die nächste Etappe geht bis Red' s Meadow bzw. Mammoth Lakes, TM 906. Ob das realistisch ist, wird sich unterwegs zeigen. Immerhin ist Vermillon Ressorts seit gestern offen, eine weitere Möglichkeit, Proviant zu kaufen.

Independence hat wenig Infrastruktur, weshalb wir gleich nach Bishop weitergefahren sind (40 Meilen). Der Bus fährt am Wochenende nicht, gleichwohl hat uns ein Bus “out of Service“ mitgenommen. Wir waren begeistert. Die Strecke verläuft topfeben durch die Wüste, linker Hand die schneebedeckte Bergkette.
Bishop ist überschaubar, hat alles, um wieder aufzutanken. Sogar ein Rodeo soll stattfinden, aber leider erst am Montag. Eben sitze ich im Waschsalon mit leichter Bekleidung, der Rest steckt in der Waschmaschine.

Im Motelzimmer versuche ich mich, an mein neues Spiegelbild zu gewöhnen. Ich habe stark abgenommen, dabei halte ich mich seit Wochen an eine kalorienhaltige Diät. Anders, als in früheren Jahren, vermag sich meine Haut nicht anzupassen. Neue Problemzonen sind entstanden. Falten an Stellen, wo ich nie welche vermutet hätte. Ich versuche mich an die Aussage eines Origami- Künstler's zu halten, der gesagt hat: “ Ein Tag ohne Falten ist kein guter Tag“
In dem Sinne, an alle Betroffenen: “Have a good one“

Ich habe mich dazu entschlossen, den Weg nach Norden kontinuierlich weiterzugehen. Ich kenne jetzt die Bedingungen da draussen. Ich weiss auch, wie schnell die wechseln können. Viele, denen ich die letzten Wochen begegnet bin, haben dasselbe Vorhaben. Ebenso Viele haben aufgehört. Es gibt mir Mut und schweisst zusammen, zu wissen, dass einige Altbekannte dasselbe versuchen werden. Trotz allen Anforderungen dort draussen; ich liebe diese Umstände. Es ist eine Auseinandersetzung mit offenem Ausgang. Vielleicht schaffen wir es mit den körperlichen und mentalen Voraussetzungen, die wir mitbringen. Vielleicht müssen wir umkehren.

Morgen Montag stehen die sieben langen Meilen zurück über den Kearsage Pass zum PCT an. Das wird “sträng“. Vielleicht übernachte ich morgen Abend am Ausgangspunkt des Aufstieges, um in der Früh auf gefrorener Unterlage zu gehen.

Ich geniesse den Hotelaufenthalt, schlafe aber jedes Mal schlecht und bin froh, wieder ' rauszugehen. Das Phänomen “ vortex“ (frei übersetzt Sitzleder) kenne ich nicht. Ich gehe meist früher, als geplant auf den Trail zurück, dort ist mir wohl. Es sind einige Bekannte hier, viele am überlegen, ob und wie es weitergehen soll. Big Boss ist mit seinen beiden Jungs da. Die Gruppe ist sich nicht einig, ob sie gemeinsam weitergehen wollen. Die andere Dreiergruppe um Nice Guy sind hier. Alle begrüssen sie mich stets mit “Grüezi“. Florian versucht einer Amerikanerin zusätzlich noch “Fröhliches Wandern“ beizubringen, da fehlt noch ein Stück Arbeit.  Martin ist in der Stadt und verhält sich wie ein Teenager. Er hat davon Abstand genommen, die Sierra weiter zu begehen. Mit Teddybär bin ich in Kontakt (Morello's amerik. Simkarte funktioniert nicht) Die Beiden sind noch nicht zurück auf dem Trail und haben mir ihre Pläne noch nicht verraten. Die Australierinnen sind zusammen mit Professor Oak nach Chester gefahren. Professor Oak habe ich nach Kennedy Meadows kennengelernt. Er hat mir seine Strategie für die Sierra erklärt und schien wild entschlossen, diese zu durchqueren. Ich weiss nicht, was ihn dazu bewogen hat, seine Absicht zu ändern.

Der Rucksack wird schwer werden. Ich habe mehr Essen eingepackt den je. Ich kaufe jeweils nach Gutdünken und esse gut. Damit alles in den Bärenkanister passt, wird die Verpackung meist entfernt und die Ware in Plastikbeutel umgeleert. Falls jemand interessiert daran ist, was alles mit geht, hier die Liste. Ich packe keine täglichen Portionen ab, stelle keine Kalorientabellen auf, es geht nach Augenmass.

Inhalt Bärenkanister für 10-14 Tage:
1x Grits (versuchsweise aus der Hikerbox)
Ca. 2 kg Müesli, Nüsse, Dörrfrüchte
10 Clifbars (biol. Energieriegel von Hiker für Hiker)
10 versch. Energie-Proteinriegel
300g Schoggi
6 Snickers Almond (Aktion)
6  Getreideriegel (Aktion)
3x Kartoffelstock
4x asiat. Instantnudeln
2x schweiz. Instantsuppen (die Amis kennen das nicht, verkaufen diese in Büchsen)
3x Misosuppe (die sind im Beutel zu haben)
1x Thunfisch(beutel)
2x Couscous (Galey hat mir die erste Portion geschenkt, schmeckt gut. Gibt es in versch. Geschmacksrichtungen, aktuell geröst. Knoblauch u. Pilze)
Kaffee, Tee, Trinkschoggi
und neu Kokosöl.
(Laut Madame, die über solche Dinge gut Bescheid weiss, kann man das in den Kafi rühren, um weiteren Gewichtsverlust zu verhindern. Weiter pflegte sie ihr Trinkwasser mit Javel (1Trpf/Liter) zu desinfizieren. Deutlich billiger als Micropur)
Gewürze habe ich stets dabei, die machen alles geniessbar.

Dann werden noch ein paar Resten aus dem Hotel mitgenommen: Käse, Knäckebrot, Poulet, die Früchte muss ich noch aufessen.

So, auf geht s.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen