Montag, 28. August 2017

Olallie Lake- Cascade Locks, 27.8.17/ TM 2144

Der PCT Oregon endet, wie er begonnen hat: Rauch beeinträchtigt die Weitsicht und ein leichter Rauchgeruch liegt in der Luft. Gestern Abend haben Kleinflugzeuge Einsätze über ein nahegelegenes Brandgebiet geflogen und Brandverzögerer abgeworfen. Das Feuer brennt seit Wochen und verhindert, dass der Eagle Creek Trail begangen werden kann. Der Trail führt hinter einem Wasserfall hindurch, den Tunnel Falls. Schade, und gleichzeitig sind die Konsequenzen, welche die Brände auf uns Hiker haben, weit weniger dramatisch als für die Bevölkerung, die Tiere und die Natur. Dabei fällt mir auf, dass ich seit Crater Lake nur Kleintieren begegnet bin; Vögel, jede Menge Hörnchen ( Erd- u. Eich-) und selten mal einem Reh, die weiter südlich so zahlreich und zutraulich wirkten. In Ashland waren die sogar in der Stadt unterwegs. Ob da ein Zusammenhang besteht?

Ab Olallie Lake hat sich wieder so etwas wie Normalität eingestellt. Es sind wieder mehr PCT Hiker anzutreffen. Ab und zu saust jemand an mir vorbei, der die Timberline Challenge versucht: 51 Meilen (82 km) an einem Tag zu laufen. Picky schafft es, er ist um 3.30 aufgebrochen und um 21.00 war er am Ziel.
Ich begegne Dorian, 26, dem Franzosen, der mich in der Wüste damit überrascht hatte, dass er den PCT laufe, um seine Pensionierung zu planen. Präzisierte dann, dass er seine Wunschliste nicht erst im Pensionsalter abzuarbeiten gedenke. Das hört sich doch recht vernünftig an. Er muss noch Oregon "machen", dann geht er nach Washington. Ebenso der südkoreanische Marathon Man. Das Trio hat sich aufgelöst. Schade, wo immer ich aufgetaucht bin, haben die Drei mich begeistert begrüsst, manchmal sogar applaudiert. Den Grund habe ich nie verstanden, man gewöhnt sich erstaunlich schnell daran. Es wird Entzugserscheinungen geben.
Auf die Timberline Lodge habe ich mich sehr gefreut. Die wurde während der Depression von Arbeitslosen erbaut. Ein ästhetischer und zugleich robuster Bau. Die Lodge ist in der PCT Gemeinde sehr beliebt: sie gilt als ausgesprochen "hikerfriendly" und haben gutes Essen. Ich mache wie üblich bei Eintreffen in die Zivilisation Generalreinigung und ziehe meine Stadtkleider an. Objektiv ist wahrscheinlich kein Unterschied auszumachen, subjektiv schon. Im Restaurant treffe ich auf den Englishman und einen jungen Mann aus Hongkong, der sich strahlend schmutzig dem Lunchbuffet widmet. Ich sollte ihm die nächsten Tage wiederholt begegnen, er scheint völlig in seine Welt versunken und daran gewohnt, für sich zu sein.  Er habe den ganzen Nachmittag nochmals das Menü "durchgegessen", erzählt er mir kurz vor Cascade Locks und freut sich auf das nächste Menü. Luke ist auch da. Wir beklagen uns über die unerwarteten Blasen, die bei uns beiden beim vierten Schuhwechsel aufgetreten sind. Er vermutet sogar eine Stressfraktur an einem Fussknochen, er hinkt stark und will gleichwohl weiter laufen. Ich finde ein paar Schuhe in der Hikerbox, die mir schmerzfreies Gehen ermöglichen und hinterlasse mein viertes Paar.
Das Essen in der Timberline Lodge zelebriere ich richtiggehend. Ein weiterer Meilenstein ist erreicht und ein nächster steht unmittelbar bevor.

Mittwoch, 23. August 2017

Mount Jefferson Umleitung 24.8.17

Ich bin am späten Sonntagabend von Sisters Richtung Santiampass aufgebrochen. Eigentlich war mir relativ schnell klar, wie ich mit den Sperrgebieten umgehen will, damit ich mein Ziel, den Thru Hike nicht gefährde. Ich laufe ganz einfach die Anzahl gesperrter Trailmeilen, wenn es sein muss, auf der Strasse. Ich werde nicht die ganze Strecke​ von ca.120 km von Sisters nach Olallie Lake laufen​ (ca. 80 km sind Asphalt), sondern etwa die Hälfte davon, dann ist mein Kriterium erfüllt.

Langsam geht der Tag zu Ende, campen ist kein Problem, aber Wasser sollte ich noch nachfüllen. Also wacker auf dem Highway weitergehen. Gegenüber hält ein oranger Subaru. Er sei ein ungeübter Autofahrer und dies sein erstes Auto, erklärte mir sein Besitzer, Elmar, ein gebürtiger Stadtluzerner. Er habe deshalb eine Signalfarbe gewählt, damit er gut sichtbar sei. Eine gute Wahl bei seinem unsteten Fahrstil. Er sei unterwegs zu einem Konzert am Suttle Lake, ob ich nicht mitkommen wolle? Ich will. Als wir eintreffen, geht das Open Air Konzert dem Ende zu. Schade, die Band war gut.
Die Campingplätze um den See sind am Tag vor der Sonnenfinsternis erwartungsgemäß ausgebucht. Elmar ist  spontan und unkompliziert Reisender. Wir folgen einer Naturstrasse und schlagen unser Nachtlager auf einer kleinen Lichtung auf. Elmar ist ein interessanter Zeitgenosse, redet viel, gerne und völlig unbeeinflusst von der Tages- bzw. Nachtzeit. Er arbeitet seit 4 Jahren als Bioinformatiker in Portland, OR, nachdem er zuvor 10 Jahre in Finnland gelebt hatte. Er hat keinen klassischen akademischen Werdegang aufzuweisen und gleichwohl seinen Weg in die Forschung, seiner Leidenschaft, gefunden. Falls ich nach Portland fahren sollte, dann könne ich bei ihm unterkommen. Es war eine wunderschöne, überraschende Begegnung.
Wir verabschieden uns am Montagmorgen und ich mache mich auf Richtung Santiam Pass, halte immer mal wieder inne, um in die Sonne zu schauen. Auf einmal steht die Welt still. Überall sind Menschen und beobachten das Naturschauspiel. Es wird dunkler und kälter. Einzelne Sterne werden sichtbar und ein Eichhörnchen dreht durch und zwitschert wie am Spiess. Leiser Applaus ertönt, als die Sonne langsam wieder sichtbar wird.

Ich hatte mir fest vorgenommen, die sich wiederholenden, gleichbleibenden Fragen freundlich zu beantworten. Oft genug ist es das Vorgeplänkel für ein Gespräch, aber nicht immer. Heute, am Tag der Sonnenfinsternis war" nicht immer" und es ging an die Schmerzensgrenze. Es kamen mir aussergewöhnlich viele Leute entgegen, welche die Sonnenfinsternis mit einer Wanderung verbunden hatten. Folgender Dialog spielte sich zwischen etwa einem Dutzend Leute und mir ab.

"Are you on the PCT?"
"Yes"
"Awesome. Where did you start?"
"In Campo."
"Awesome." Variante: "Good for you."
"When did you start?"
"24. April"
"Awesome. What about the Sierras?"
"We made it through"
"Awesome." Variante: "Congratulations."
"Where are you from?"
"Switzerland"
"Awesome." Variante 1 "How wonderful" Variante 2 " Welcome to America"
"Aaaahhh....!!"

Mittlerweilen bin ich auf der Umgehung  des Jefferson Waldbrandes. Dieser führt durch das grösste Brandgebiet, das in Oregon stattgefunden hat. 36 000 Hektaren Wald brannten 2003 nieder, erst die herbstlichen Regenfälle boten dem Einhalt. Im sich verändernden Licht strahlen die gebleichten Bäume eine morbide Schönheit aus. Bei gewöhnlichem Tageslicht sieht es nüchterner aus: Abertausende von Baumleichen, soweit das Auge reicht. Nach 17 Meilen auf der Strasse erreiche Detroit OR. Leute aus Michigan haben diesen Ort gegründet. Als vor ein paar Jahren ein Bürger eine Namensänderung vorschlug, um sich von Detroit Michigan und dessen schlechten Ruf abzugrenzen, sei dieser bedroht worden. Ich habe Detroit überschätzt, da gibt es weder Waschsalon noch Bibliothek, der Ort zählt 200 Einwohner. Sogar Wifi ist selten. Die Wirtin in der urigen Töffbeiz knurrt ein Nein, als ich sie danach frage. Wahrscheinlich gehört das zu den widerkehrenden Fragen, die sie beantworten muss.

Heute Abend (23.8.) sollte ich bei Olallie Lake (TM 2043) zurück auf dem PCT sein. Die Umgehung war erreignisreich, gleichwohl habe ich "längi Zyt" nach der Originalroute und meinem Trailleben abseits der asphaltierten Strassen. Und- der letzte Staat, Washington, ruft, knappe 100 Meilen sind es bis dorthin. Auf "the bridge of God" werde ich den Columbia River überqueren und Washington erreichen.

Freitag, 18. August 2017

Sisters- Cascade Locks- Sisters, 20.8.17

Ich stand an einer unmöglichen Strassenkreuzung in Redmond und hoffte, dass jemand auf mein Kartonschild "PCT Hiker to Cascade Locks" reagieren würde. Die Sonne ging im Rauch unter, ein durchaus schöner Anblick. Ich begann, die Ausfallstrasse hinunterzulaufen und mir zu überlegen, ob ich ein Hotel suchen soll. Die Chancen wären gering, Hotels und Campingplätze seien wegen der Sonnenfinsternis seit Monaten ausgebucht. Tatsächlich sollten wir am nächsten Tag um Madras/ Warm Springs herum Feldern begegnen, welche kurzum zu Campingplätzen umfunktioniert worden sind. 300 Dollar für 5 Tage würde dafür verlangt. Ein wichtiger Termin für die Amerikaner, den man sich schon lange vorgemerkt hat. Um Mount Jefferson herum wird die Finsternis total sein. Und während ich Euch erzähle, was Ihr eh schon wisst, hält unerwarteterweise ein Auto. Dustin, ein PCT Begeisterter nimmt mich mit zum nächsten Ort, lädt mich auf ein Bier ein und fährt mich zum Smith Rock State Park, zu dem ein Campingplatz gehört. Die Felsen glühen rot, als wir dort eintreffen. Hier seien viele Szenen von "Wild" gedreht worden. Rees Witherspoon hätte jeweils im Restaurant, wo seine Frau arbeite, gegessen. Er löchert mich über Fragen über den Trail. Ich bin ganz gerührt über seine Begeisterung und darüber, wie sich alles gefügt hat.

Am Samstag geht es häppchenweise Richtung Norden. Alle Fahrer haben etwas mit dem PCT zu tun, das Schild hilft. Schliesslich nimmt mich Andri mit, ein leidenschaftlicher Mensch, der den PCT auf seiner Bucket Liste hat und zu den PCT Tagen fährt. Er ist mit seiner Familie vor 4 Jahren aus beruflichen Gründen von St. Petersburg in die USA gekommen. Er referiert über die Unterschiede zwischen den Ländern und sieht diese in der Geschichte begründet. Über die aktuelle Politik will er sich nicht unterhalten, das sei unsäglich. Vielleicht ist das besser so, wann immer er bei einem Thema Feuer fängt, gestikuliert er wild und vergisst zu steuern.

An den PCT Tagen waren weniger Hiker und Aussteller als erwartet. Immerhin traf ich Ki und Tommii. Beide zog es noch am selben Tag weiter. Robert war nicht da. Schade. Die beiden ungeduschten Brüder waren ebenso da wie Patchwork. Ihr Thru- Hike ist mittlerweilen auch ein Flickwerk.  Ich ass mit Tim, der mir mit seinem Wanderrock aufgefallen war, zu Mittag. Ihm seinerseits sind meine muskulösen Waden aufgefallen, was er oft genug erwähnt.
Er hat Rika gekannt, die Japanerin, die bei einer Flussüberquerung in der Sierra umgekommen ist. Sie sei nicht alleine gewesen, sie sei vorausgegangen und hätte sich die Furt wohl zugetraut. Für ihre beiden nachfolgenden Kollegen sei sie einfach verschwunden gewesen.
Ich wusste lange nicht, dass ich die zweite Person, die tödlich verunfallte, kannte. Tree, die quirlige Chinesin, die ich mal kurz im Blog erwähnte, wurde aus dem Kings River tot geborgen. Es tut mir für beide furchtbar leid.

Ich spreche mit Bekannten und Unbekannten und reise am Sonntagvormittag leicht melancholisch zurück. Ich hätte mich mit Einzelnen gerne länger unterhalten. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Ich weiss aus eigener Erfahrung bestens, wie sich "itchy feet" anfühlen und das Phänomen scheint unter Wanderer äusserst ausgeprägt.

Ich hatte mich eingehend über den Umgang mit feuerbedingten Sperrzonen unterhalten und habe mir eine Meinung gebildet. Kaum in Sisters, begegnete ich Rotschopf Splash, der jeden Meter des Umweges laufen will. Jetzt bin ich wieder unsicher. Ich laufe einfach mal los Richtung Santiam Pass (ich müsste zum McKenzie Pass, aber der ist gesperrt) und hoffe, dass sich mein Zwiespalt unterwegs auflöst. Praktisch wäre, wenn sich dieser aufheben würde, bevor ich mir auf dem Asphalt die Füsse wund gelaufen habe. Ich habe es nicht immer einfach mit mir, könnte es mir einfacher machen. Wer bin ich, wenn ja wieviele?

Crater Lake- Sisters 18.8.17/ TM 1981

Ich schrecke hoch, es ist bereits hell draussen, ich habe mich verschlafen. Die letzten Monate bin ich zuverlässig um 4: 30 erwacht, die Zeit, wo die Sterne langsam verblassen. Es ist kurz vor 6:00. Ich beeile mich, aus dem Schlafsack zu kommen, Kaffee zu kochen und zusammen zu räumen. Alles gleichzeitig. Bis ich zur Besinnung komme und merke, wie absurd die ganze Situation ist und überhaupt hatte ich mir doch vorgenommen mir das "Jufle" abzugewöhnen. Und nun dieser Rückfall bei Trailmeile 1859.3, in einer Situation, die so gar nicht zur Eile mahnt.
Mal abgesehen von meinem Innenleben war die Welt draussen in Ordnung. Ich hatte mein Zelt auf einem Hochplateau aufgestellt, die Sonne ging auf. Es kündigte sich ein klarer, prächtiger Tag an.

Am Vortag hatte ich Crater Lake bei ungewohnt bewölktem Himmel und kühler Temperatur, verlassen. Nachts hatte es vielerorts den ersten Frost gegeben.
Der PCT verlief grösstenteils durch Wald. Moosbehangene Märchenbäume wechselten mit einem Waldabschnitt, wo sämtliche Bäume krebskrank schienen. Sie hatten eine Unmenge Knoten. Tatsächlich scheint es eine Viruserkrankung zu sein. Die Knoten seien beliebt, um daraus Kunstwerke zu erstellen. Weiter nördlich ging es durch ein seen- und seelireiches Gebiet. In normalen Jahren dürfte hier eine Mückenplage herrschen. Nicht so heuer: der Waldboden hat vor Trockenheit Sprünge, der Trail ist furztrocken und staubig.

Für einmal hatte ich mir einen Plan zurecht gelegt. Ich würde bis FR 18.8. Abend bis zum McKenziepass laufen, um von dort via Sisters zu den PCT Tagen nach Cascade Locks an der Grenze zu Washington zu reisen. Ich hoffe, dort alte Bekannte zu sehen, ein Klassentreffen sozusagen. Und am Sonntag soll es wieder zurück nach Sisters/McKenziepass zum Trail gehen. Als Erstes bedrohten die Brände um Crater Lake meinen schönen Plan und während sich dort alles zum Guten wendete, brachen in der Sisters Wilderness weiter nördlich zwei weitere Feuer aus. Es herrscht hohe Waldbrandgefahr. Derzeit sind jegliche Feuer untersagt und nur noch regulierbare Campingkocher erlaubt, mein Holzkocherli ist zu unterst im Rucksack eingelagert. Ursache der vielen Brände sind meistens Gewitter mit einhergehenden Blitzen.

Ich habe mit zwei Deutschen, No Step und White Spot den zweiten Umweg in Angriff genommen. Der führt östlich an den Sisters Vulkanen vorbei.
Und- der Umweg ist überraschend schön; verschiedene Klimazonen treffen auf kurzer Distanz aufeinander. Da hat es Bergseen und - bäche, spärlich bewachsene Wüstenflächen, Kieferwälder und saftige Wiesen. Über allem ragt South Sister, später sollten noch Middle und North Sister auftauchen. Je weiter nördlich wir wanderten, desto näher kamen wir dem einen Feuer. Eine riesige Rauchsäule trieb meilenweit ostwärts. Wir nahmen eine Abkürzung und schafften es überraschenderweise noch am FR in die Ortschaft Sisters. Dort hörten wir, dass das Feuer sich ausgeweitet und der Highway 242 gesperrt worden ist. Der Nachteil des beständig schönem Wetters.

Von wegen Plänen: gestern hatte Sparkles auf einer Naturstrasse Trailmagic angeboten: Hot Dog, Hamburger, Süsses und Flüssiges. Sie habe es letztes Jahr bis Mount Shasta geschafft und dann wegen einer Stressfraktur aufgeben müssen. Die wichtigste Erkenntnis für sie sei gewesen, keine Erwartungen zu entwickeln. Man könne weniger kontrollieren, als man gemeinhin meine. Sie habe sich gut mit dem unplanmässigen Abbruch arrangieren können und habe keine Post- Trail- Depression gehabt. Ein aktuelles, wichtiges Thema.
Mal schauen, wie es mit den steten Änderungen weitergeht und ob mir Sparkles Gelassenheit gegeben ist, damit umzugehen. Aber vorerst geht s mal ab ins Wochenende.

Montag, 14. August 2017

Ashland- Crater Lake 13.8.17/ TM 1818

Es war ganz still am frühen Morgen. Am Abend zuvor hatte sich ein Gewitter entladen, das sich den ganzen Nachmittag aufgebaut hatte. Es schien den Wald und seine Bewohner in einen Tiefschlaf versetzt zu haben. Der Regen fühlte sich "heimelig" an, das letzte Mal hatte es in der Sierra, im Juni, geregnet. Ich war froh, dass ich nur am Rande davon betroffen war. Am nächsten Tag sollte ich über mehrere Kilometer ungeschmolzenen Hagelfeldern begegnen.

Wie es wohl Vicky ergangen ist? Sie sass wenige Kilometer vom Highway entfernt am Wegrand. Sie habe ihre Wasserflasche im Auto verloren und nichts zu trinken. Sie sei neu auf dem Trail und habe sich Oregon vorgenommen. Ich gebe ihr, was ich erübrigen kann, damit sie es zur nächsten Wasserquelle schafft. Dann erschwert sie sich ihren ersten Tag noch damit, dass sie mir zu folgen versucht. Das wird nicht gut gehen. Das ist ein Phänomen, das ich mehrfach beobachtet habe: Hiker, die auf dem Trail Besuch erhalten und eine Weile gemeinsam wandern. Man erkennt diese Wandergschpännli am leicht verzweifelten Gesichtsausdruck: die Langdistanzwanderer versuchen zu bremsen, der Besuch versucht, so schnell wie möglich zu laufen. Der Frust ist vorprogrammiert. Ich schätze unser Tempo, auf 4-5,5 km/Std. Bei Fifty Shades und seiner Begleitung dürfte die Anspannung andere Gründe haben. Er war bisher mit einer Trailfreundin unterwegs. Seit heute begleitet ihn seine "off trail"- Partnerin aus seinem normalen Leben. Es bleiben noch genug Wandertage bis Kanada, um die Sache zu klären. Vicky war heilfroh, auf eine Anfängerin zu stossen und ich hatte den Eindruck, Fifty Shades ging es ebenso. 

Das soziale Leben auf dem Trail bleibt Stückwerk. Man weiss nie, wem man wann und ob überhaupt wieder begegnet. Verstärkt wurde diese Dynamik wegen den Bedingungen in der Sierra Nevada, neu kommen die Waldbrände dazu. Dort, wo Teile des PCT gesperrt sind, umfahren einige die Sperrzone, andere umlaufen diese, auch wenn das " roadwalk" zur Folge hat, laufen auf der Strasse. Durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten treffe ich immer wieder auf neue Leute. Immerhin, es gibt Neuigkeiten von einer alten Bekannten: Morello, mit Teddybär im Schlepptau, hält sich im Norden Oregons auf. Sie hatte gesundheitliche Probleme und musste pausieren. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen, das wäre schön.

Wie oft wurde mir empfohlen, den Süden Oregons auszulassen; da gäbe es nichts zu sehen. Ich bin anderer Meinung. Ich bin erstaunt, wie mich diese vulkanische Landschaft anspricht. Der Waldanteil hat zweifellos zugenommen, von einem grünen Tunnel zu sprechen, ist übertrieben. Der Wald ist licht, öffnet sich immer wieder und wird unterbrochen durch riesige Lavasteinfelder. Der PCT wurde aufwändig in den schwarzen Gesteinsmassen angelegt. Roter, zermalmter Lavastein wurde dazu hergebracht. Faszinierend. Mir scheint, es geht eine ungeheure Kraft von diesen Geröllhalden aus. Der Weg ist grösstenteils flach, der Rhythmus wird nur durch die vielen gefallenen Bäume und durch die Beeren unterbrochen. Letzteres hat vor Seiad Valley begonnen: dort hatte es Unmengen von Brombeeren und etwas, was "google" mit Zimthimbeere übersetzt (thimbleberry). Die Beere ähnelt optisch der Himbeere, geschmacklich erinnert sie an die nordische Moltebeere. Rote Heidelbeeren und vereinzelt blaue Himbeeren.

Ein Höhepunkt in vulkanischen Landschaften, der Craterlake, musste allerdings hart erlaufen werden. Der PCT war teilweise gesperrt und ich habe mich dazu entschlossen, den Umweg zu laufen. Das war anfänglich reizvoll:  der Weg nach Klamath Falls war topfeben, die Sonne ging auf, links und rechts riesige Rinderweiden.

Die Idylle wurde im Dorf kurzfristig getrübt, weil mich ein Ladenbesitzer rüde wegwies. Der Laden öffne erst in einer Stunde und ich würde andere zum Anhalten verleiten, was wiederum die Hotelgäste wecken würde und überhaupt sei das Privatbesitz. Dieses Verhalten ist eine Ausnahmeerscheinung und hinterliess mich perplex. Die Amerikaner sind uns ansonsten außerordentlich gut gesinnt.

Also keine Stärkung aus dem Bioladen vor dem Strassenabschnitt bis Mazama Village, Crater Lake. Ich habe bis jetzt keine Lücken auf dem Weg von der mexikanischen Grenze und hoffe, es bleibt dabei. Allerdings ist so ein "roadwalk" nichts Vergnügliches. Es ist Autopilot rein und ab durch die Mitte. Ich hatte an diesem Tag meine kleine, aber feine Trailmagic. Ein junger Mann hielt an und drückte mir Mirabellen in die Hand. Später gab mir ein Autofahrer eine Flasche Wasser. Ein weiterer munterte mich auf, du hast es beinahe geschafft.

Der Crater Lake hält, was er verspricht, er hat eine ungeheure Ausstrahlung. Er hiess früher Lake Majesty, absolut nachvollziehbar. Was für magischer Anblick, ich konnte mich nicht sattsehen. Wir hatten das Glück, dass der nahe am See geführte, westliche Klippenweg gestern wieder frei gegeben wurde. Dadurch liess sich das richtig auskosten.

Ich bin blogerisch zeitlich im Hintertreffen. Bin bereits Richtung Shelter Cove unterwegs und hoffe, Euch dort wieder auf den aktuellen Stand bringen zu können.

Sonntag, 6. August 2017

Eine Aufforderung am Wegrand, F

An der Grenze CA/OR/ F

Im Rauch/F

Wildfeuer, F

Weitsicht- Aussicht, Foto

Bill, the cowboy/F

Pancake challenge, Foto

Seiad Valley- Ashland, 6.8.17/ TM 1727

Seiad Valley in Jefferson State. Die schmucklose Fahne hängt unübersehbar vor dem General Store. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts hatten verschiedene Gemeinden von Nordkalifornien und Südoregon versucht, einen eigenen, unabhängigen Staat zu gründen. Die Idee lebt weiter, es werde regelmässig darüber abgestimmt und ebenso regelmässig haushoch verworfen. Derzeit ist ein anderes Thema aktuell. Überall hängen Plakate:" No monument" Man wolle Seiad Valley und das Tal des Klamath Rivers unter Naturschutz stellen, was einige Einschränkungen für die 300 Bewohner von Seiad Valley hätte, was man energisch ablehnt.

Ich habe ein paar Stunden im dortigen Cafe verbracht. Kaum ein Hiker geht daran vorbei. Der Ort ist bekannt für seine Pancake Challenge. Man kriegt fünf pfundige Pancakes und hat zwei Stunden Zeit, diese zu essen. Wer das schafft, muss nicht bezahlen. Tatsächlich findet sich jemand, welcher sich dem stellt: the Englishman. Scheu, wie er ist, hatte er sich ein kleines Tischchen am Fenster ausgesucht und war mächtig gefordert, als zahlreiche Leute sich die Sache anschauten und ein Foto machten. Er gab schon beim dritten Pancake auf und war von sich enttäuscht. Sollte er nicht, kaum jemand schafft das. Und wofür das gut sein sollte, ist mir eh nicht klar.

Der Aufstieg aus dem Tal war eine schweisstreibende Angelegenheit, es ging gegen Mittag und der Hang bot wenig Schatten, grosse Flächen hatten sich noch nicht von den Wildfeuern erholt. Die Fernsicht war durch Rauch beeinträchtigt. Das hat man uns zumindest so gesagt. Kaum zu glauben, dass der Rauch eines weit entferntes Wildfeuers sich auf eine solch' riesige Fläche verteilen kann. Am nächsten Tag ist der Rauch riechbar, da zerstreuen sich meine Zweifel.

Nach einer Kurve ein abrupter Wechsel zu ganz normaler Vegetation, Bäume spenden Schatten, sogar ein kleiner See taucht auf, ein idyllisches Plätzchen, um die Nacht zu verbringen.

Nach beinahe 1700 Meilen (2700 km) eine Grenze: ich bin in Oregon. Er hätte dort einen richtigen Energieschub verspürt, hat mir ein Thru Hiker gesagt. Mal sehen. Tatsächlich bin ich schnell unterwegs. Die Sicht bleibt begrenzt, es bleibt nur das Laufen und- die Stadt ruft.

Mittlerweilen bin ich in Ashland angekommen, wo ich drei ( in Zahlen: 3) Nächte verbringen werde. Rekord. Ich gehe am Dienstag zurück auf den Trail und hoffe, dass es bis dahin besser abschätzbar sein wird, wie es weitergehen soll. In Oregon sind sich verschiedene Brände am ausbreiten, die auch den PCT betreffen. Teile des Weges um Crater Lake und Mount Jefferson sind bereits gesperrt. In der Region um Mt. Jefferson werden zur Sonnenfinsternis Tausende von Leuten erwartet, weil dort die beste Sicht sein soll. Das ist jetzt alles durch Feuer und Rauch gefährdet. Was uns PCT ler betrifft: da hoffe ich, dass sich irgend welche Alternativen herauskristallisieren werden. Ich habe mir schon mal eine Karte besorgt, um mir selber ein Bild über das Ausmass der Sperrgebiete machen zu können. Es wäre frustrierend, wenn sich diese nur umfahren liessen und damit ein Thru Hike verunmöglicht würde. Ich warte mal ab und bespreche mich mit den anderen Hiker, was die sich überlegt haben.

Einmal mehr: e schöne Sonntig

Donnerstag, 3. August 2017

Seiad Valley, 3.8.17/ TM 1653

Das ging alles viel zu schnell. Nach geschäftigen 24 Stunden in Mount Shasta stehe ich auf einer verlassenen Nebenstraße vor dem PCT Wegzeichen. Es bleibt nichts mehr zu tun, als der Wegmarkierung zu folgen. Dem und meinen guten Vorsätzen für den restlichen Weg nach Kanada.

Mount Shasta zehrt vom geheimnisumwitterten Ruf des gleichnamigen Berges. Eine der Legenden besagt, dass dieser mit der verborgenen Welt von Atlantis und Lemurien in Verbindung stehen soll. Das zieht Menschen mit entsprechenden Interessen an. Es hat überdurchschnittlich viele esoterische Angebote und im Strassenbild fallen die vielen Alt- und Junghippies auf. Die Leute sind ausgesprochen freundlich und mir scheint, dass man häufiger mit Kosewörtern angesprochen wird als anderswo. "Do you need anything else, Sweetheart?"

Fertig mit Sweetie- Honey- Dear: der Trail ruft. Immerhin habe ich noch einige feine Sachen aus dem grossartigen Bioladen von Mount Shasta mit dabei: Energieriegel von den health warriors, Granola von Lotus und Müesli von Good Vibrations.

Es herrscht eine seltsame Dynamik unter den Hikern in Nordkalifornien: einige befassen sich mit Aufhören und andere versuchen, so schnell wie möglich den Trail abzuschliessen. Letztere laufen 30 (48km) und mehr Meilen täglich.
Ich liege mit meinem Durchhänger also voll im Trend. Entgegen meinem PlanungsunwilIen habe ich mir die verbleibende Strecke und den Zeitrahmen angeschaut. Ich bin zeitlich gut dran. Es besteht kein Grund zur Eile. Wenn ich täglich 20 Meilen (32 km) laufe, bin ich Ende September in Kanada. (Das hat nicht nur mit meinem Rückflugdatum zu tun, damit lässt sich hoffentlich einem Wintereinbruch in den Northern Cascades vorbeugen.)
Diese Distanz ist bei diesem Streckenverlauf und meinem körperlichen Fitnessstand leicht zu bewältigen.
Dadurch bleibt genügend (Spiel-) Raum für anderes, was zu kurz gekommen ist. Ich werde an idyllischen Orten früher das Zelt aufschlagen, werde auch wiedermal in ein Visitorcenter gehen, um mehr über die Gegend zu erfahren, in der ich mich gerade befinde. Das beugt dem Tunnelblick vor, zu dem wir
Hiker neigen und hilft gegen Ansteckung vor dem Meilenwahnsinn.

Die äusseren Bedingungen helfen mit, um  mein Trailleben wieder ins Lot zu kriegen. Der PCT wird seit Old Station, also seit etwa 300 Meilen, immer wieder zum Höhenweg. Die abwechslungsreiche Landschaft öffnet sich zu spektakulären Weitsichten. Ich kann mich nicht sattsehen am grossen Himmel und der Weite. Da sitze ich den vor meinem Wigwam und schaue den Verfärbungen des Himmels zu. Oder gehe in einen der unzähligen Seen entlang des Weges schwimmen. Das Wetter vergesse ich stets zu erwähnen: beständige Hitzewelle zwischen 35- 40°.

Das soziale Leben auf dem Trail hat sich erneut verändert. Die Leute, welche die Sierra Nevada von Norden angehen, sind jetzt in den Bergen. Ich treffe täglich nur noch 2-3 PCT Hiker und auf Ausflügler. Das ist ganz "zfrede", die Schnellen sind schon längst in Oregon. Und wir, die Langsamen, haben Zeit. Es geschieht jetzt ab und zu ganz zwangslos, dass ich mit jemandem für ein paar Stunden oder ein paar Tage gemeinsam laufe. Ideal.  Gestern war ich mit Thomas, 34, Franzose unterwegs. Er hat eine einfache, klare Haltung: ein Thru-  Hike bedeute, sich mit den Bedingungen auseinanderzusetzen, die herrschen; seien es Flussüberquerungen oder Krisen. Deshalb hat er die Sierra regulär von Süden nach Norden durchwandert. Am Montag bin ich auf Snickers, 63 getroffen. Er gehe den Teilabschnitt das 5. Mal. Er ist ein wandelndes PCT Lexikon und spricht nur in Meilen: TM 1576 ist das und 1584 jenes. Leider muss er 30 Meilen pro Tag laufen, um rechtzeitig zum Shakespeare Festival in Ashland zu sein. Ich hätte gerne mehr Zeit mit ihm verbracht. Und- ich bin auf einen waschechten Cowboy gestossen, mit Waffe und alles. Einzig die moderne Sonnenbrille war ein Stilbruch. Bill war auf der Suche nach seinen Rindern.

Es hat sich alles wieder eingerenkt bei mir. So sehr, dass ich erschrocken bin, als ich kurz vor Seiad Valley realisierte, dass es nur noch 1000 Meilen sind nach Kanada.