Mittwoch, 31. Mai 2017
Samstag, 27. Mai 2017
Tehachipi Pass- Walkerpass TM 662, 30.5.17
Die Windfarmen verschwinden langsam aus dem Blickfeld, das Tuten der Güterzüge und der Verkehrslärm der Interstate begleiten mich noch eine Weile.
Dalton, Trailangel aus Tehachipi, hat uns zum PCT zurückgefahren. Er weist darauf hin, dass Cheryl Strayed (“Wild“) ihre PCT- Wanderung hier begonnen hat. Sie habe von den Drogen los kommen wollen, was auf den ersten 500 Meilen schwierig sei. Es seien viele “Partygänger“ unterwegs, die sich von Party zu Party, sprich von Ort zu Ort schleppen würden. Auf diesem Teil des PCT's seien Drogen leicht zugänglich. Die “Partygänger“ würden von nun an weniger, da die Distanzen zur nächsten Ortschaft länger und der Weg beschwerlicher würde. Dalton definiert zwei weitere Kategorien Hiker: die Sportler, welche einem genauen Plan folgen und den Trail als sportliche Herausforderung sehen. Als dritte Gruppe nennt er die gewöhnlichen Wanderer, die ihm am liebsten sind, weil sie entspannter unterwegs seien.
Nach wenigen Meilen treffe ich auf Scott und Zahar. Scott hat eben seine PCT Wanderung angefangen und schleppt wie Cheryl, ein Monster von einem Rucksack, um die 35 Kilo bergwärts. Scott, in tadellosem Wüsten-Safari-Look eingekleidet, ist ein kräftiger Kerl, es ist ihm gleichwohl schon klar geworden, dass es so nicht geht. Zahar hat seinen Rucksack ausgepackt, um ihm zu zeigen, was er dabei hat. Das letzte, was ich von Scott gehört habe, ist, dass er einen Freund angerufen hat. Ob dieser das überflüssige Gepäck abholt oder ob er aufgegeben hat, ist mir nicht bekannt.
Ich habe nun den letzten Abschnitt Richtung Kennedy Meadows unter die Füsse genommen. Das ist irgendwie aufregend, die Sierra, mit all' den offenen Fragen, liegt nur noch wenige Tage entfernt. Noch ist davon nichts zu spüren; die Wüste zeigt nochmals ihre ganze Palette: mal ist der Bepflanzung ganz spärlich: Blumen und Blümchen, die sich irgendwie erhalten und alles geben, was an Farbe und Blütenblätter in ihnen steckt. Dann wiederum dichter Chaparrall und Joshua Bäume. Die sollen ihren Namen von den Mormonen erhalten haben, weil sie ihnen den Weg nach Westen gewiesen haben sollen. Die Bäume, die ich gesehen habe, zeigen in alle möglichen Himmelsrichtungen. Scheinen eher dafür zu stehen, dass alle Wege nach Rom führen, früher oder später.
Zwischendurch verläuft der Weg durch lose Kiefernwälder, es riecht wunderbar nach sonnenbeschienen Tannennadeln.
Der Abschluss der Wüstenetappe ist sogleich die trockenste Strecke des PCT. Es drohen 42 Meilen (67km) ohne Wasserquelle direkt am Weg. Umwege machen, vermeidet man, wann immer möglich. Ich tanke etwas mehr Wasser als üblich und hoffe auf die Wasserdepots, welche Freiwillige unterhalten. Ich habe Glück, die Strategie, von der abgeraten wird, geht auf. Es wird schliesslich halb so wild: beide Wasserdepots sind aufgefüllt, eine grosse Erleichterung für uns und für mich. Die letzten Meilen vor dem erhofften Depot wurde mir etwas mulmig. Ich hätte mich in eine schwierige Situation gebracht. Damit hat sich die längste wasserlose Strecke auf 16 Meilen (25 km) reduziert, das hatten wir schon mehrfach. Es war allerdings eine anstrengende, heisse Strecke, z. T. auf weichem, sandigen Boden, der mir zusetzte, bei Temperaturen um die 35°. Am zweiten Wasserdepot wurde ich sogar mit eisgekühltem Bier empfangen. Jim, 74, hat seine Tochter auf den PCT zurückgefahren und bei dieser Gelegenheit seine riesige Kühlbox auf seinen Pick Up Truck geladen, und mit Mineral, Bier und Eis gefüllt.
Morello war auch da. Sie und Teddybär laufen meist vor mir. Sie hat früher Marathon- und 100km- Läufe absolviert und ist stark auf ebenen und abfallenden Strecken. Für Steigungen hat sie noch kein Mittel gefunden, da spielen sich weiterhin Dramen ab. Morello, wohl aus einer Mischung aus sportlichem Ehrgeiz, Temperament und Unbeirrbarkeit geht Vollgas in die Steigungen und bricht regelmässig ein. Teddybär ist in der Zwischenzeit krisenerprobt.
KENNEDY MEADOWS
Soweit ich weiss, ist dort kein Empfang (je nach Variante, die ich wählen werde, könnte es zu einem 2-3 wöchigen Unterbruch des Blog kommen) deshalb ein paar Vorabgedanken. Über' s Buschtelefon laufen alle möglichen Informationen : unmöglich, die Sierra vor Mitte Juli zu durchqueren, besser jetzt gleich los gehen, wo die volle Schneeschmelze noch nicht eingesetzt hat. Es seien schon Hiker durchgekommen und das Gegenteil wird auch portiert. Ich gehe davon aus, dass man Forester - und Kearsage Pass überqueren kann. Die Quelle hat sich verlässlich angehört. Das heisst, dass man dann einen Eindruck davon bekommt, wie es dort oben ausschaut und wie anstrengend das Vorwärtskommen sein wird. Ich neige derzeit zu dieser Variante. In KM werde sich Gruppen bilden, man wird gemeinsam aufbrechen.
Ich habe mir einige Ausrüstungsgegenstände (Eispickel, Leichtsteigeisen) voraus geschickt, dazu ist in der Sierra Bärenkanisterpflicht, der in KM noch dazu kommt....ich hoffe auf eine tragende Schneedecke, der Rucksack wird schwer werden.
Tehachapi TM 566, 27.5.17
Noch kurz ein paar Infos, bevor ich Tehachapi verlasse. Der PCT soll nun anspruchsvoller werden, lange, wasserlose Strecken, weg von der Zivilisation. Der Empfang wird seltener und folglich auch der Blog.
Hat es mit der Routenführung der letzten Tage zu tun, dass langsam die Vorfreude auf die Sierra auftaucht? Der PCT wurde grösstenteils aus bestehenden Wanderwegen zusammengefügt. Einzelne verbindende Streckenabschnitte wurden neu erstellt. Das wird um die Mojavewüste besonders sichtbar. Dort waren die Verhandlungen mit privaten Landbesitzern besonders langwierig und manchmal erfolglos. Der PCT verläuft aus diesem Grunde schlangenförmig und oft in westlicher Richtung. Neue Verhandlungen seien am laufen, der PCT ist eine Baustelle.
Ich war gestern mit Morello und Teddybär essen und lerne die beiden besser kennen. Morello ist sehr unterhaltsam, spricht die ganze Zeit, um “sich und andere zu unterhalten“, wie sie sagt. Teddybär ist zurückhaltend und aufmerksam, ein sympathischer Kerl. Die beiden sind mein fester Wert, von den anderen habe ich nichts mehr gehört. Vielleicht gibt s ein Klassentreffen in Kennedy Meadows in einer Woche? Der erste grosse Meilenstein auf dem Weg nach Norden. Ob die Sierra passierbar ist, bleibt unklar. Es kursieren viele Gerüchte. Es lässt sich erst vor Ort beurteilen, wie es weitergeht, ich halte Euch auf dem Laufenden.
Freitag, 26. Mai 2017
Tehachapi: Trailmagic der besonderen Art
Die meisten Hiker stellten sich schon bei TM 558 an die Strasse, um per Anhalter nach Tehachapi zu fahren. Ich hatte andere Pläne: ich wollte noch weitere 8 Meilen zur Interstate laufen, um dort meine ganz persönliche Trailmagic auszugraben.
Rita Blättler und Rene Witschi haben im Frühjahr den PCT mit ihrem Wohnmobil bei Trailmeile 566,1 gekreuzt. In einer spontanen Aktion haben sie die Ausfahrt angepeilt, um mir einen Gruss zu hinterlassen. Was die Beiden unternehmen, wird akribisch erfasst und dokumentiert. Rita hat mir sowohl Fotos wie eine Google Earth Übersicht von dem Ort der Aktion zugestellt. Unverfehlbar.
Das war eine Freude, mit dem vielseitig verwendbaren und schon mal zitierten Ultraleichtschäufelchen zu graben. Gute Arbeit, Rene, sogar mit Steinen beschwert, ich kam beinahe ins Zweifeln. Ein Flachmann mit persönlichem Gruss kam schliesslich zum Vorschein. Ich vermute mal mit Southern Comfort gefüllt. Ich habe sofort auf Euch angestossen und hoffte, dass das Selfie (keine Hiker da) dadurch etwas lockerer ausfallen würde. Na ja.
Auf Euch beide, Rita und Rene!
Und auf Janis Joplin, die Southern Comfort (zu sehr) liebte.
“ Freedom s just another word of nothing left to loose..“
Mir scheint, da muss ich noch einen dritten Schluck nehmen.
Donnerstag, 25. Mai 2017
Dienstag, 23. Mai 2017
Lakes Hughes-Hiker Town-Mojavewüste TM 534, 24.5.17
Ich hatte schon einiges über Hiker Town gehört: dass der frühere Besitzer den Hikern sehr zugeneigt gewesen sei, ein wahrer Trailangel (=alles gratis), dass sich nach dem Besitzerwechsel einiges verändert hätte und heute einer Abzockerei gleichkomme. Hiker Town ist eine charmant verkommene, urige Liegenschaft am Rande der Mojave Wüste und liegt am PCT. Sie soll heute einem Filmregisseur gehören, was den Eindruck von Filmkulisse erklären mag, den man beim Betreten des Grundstückes erhält. Überall stehen kleine, angeschriebene Häuschen, wo man übernachten kann: das Schulhaus, Gemeindehaus, Arzthaus etc. Das Ganze wird von Bob verwaltet, dem es fast peinlich ist, Geld für die Übernachtung in einem der Häuschen zu verlangen (10$). Ich habe das Doctor s House bezogen, ein Ein-Personen- Häuschen, um wiedermal nachschlafen zu können.
Die letzten 80 Kilometern herrscht Trailangel- Dichte: Agua Dulce, Green Valley, Hiker Town (Neenach), es ist ein Flohnerleben. Es wird sich weiter nördlich ändern, bis dahin nutze ich das Angebot, wenn es den am Wege liegt.
Und wenn ich Euch auch noch erzähle, dass ich vor kurzem entdeckt habe, dass ich letztes Jahr ein App heruntergeladen habe, das sich als GPS entpuppt hat...dann ist der Abenteuerstatus definitiv dahin. Der Weg ist ausserordentlich gut markiert. Ich wollte das Kartenmaterial ursprünglich in Papier, finde es aber nicht mehr notwendig. Auf dem GPS sind zudem noch die Wasserquellen eingezeichnet...das erleichtert doch einiges im Vergleich zu früheren Zeiten.
Vorgestern ging ich nach Lakes Hughes, um im dortigen historischen Rock Inn die Mittagshitze abzuessen. Ich war nicht die einzige; ein ganzer Stammtisch voll befand sich bereits schon dort.
Morello hat einen Hang zum Melodram, sie muss italienische Wurzeln haben. Ich hatte eben meine Wasserflaschen abgefüllt, mir lange genug zugeredet, die Strasse zurück zum PCT zu laufen...als sich die Türe öffnete und Morello, Teddybär im Gefolge, herein gestürzt kam. Sie konnte mir nicht erzählen, was los war und deutete auf ihren ausgetrockneten Mund. Teddybär erfasste die Situation sofort und zauberte eine Cola herbei. Daraufhin fand Morello ihre Sprache wieder. Und wie. Sie erzählte mir ein halbes Dutzend Mal, dass sie in der Mittagshitze den Berg hochgestiegen und sie an ihre Grenze gelangt sei(en). Die Hitze mache sie fertig, noch am Morgen seien sie 10 Meilen geflogen, und dann dies. Teddybär und sie hätten sich in der schattenlosen Gegend unter ihre Sonnenschirme geduckt und zwei Stunden ihre Situation erörtert, dann seien sie umgekehrt. Ich war des Lobes voll über die Reife ihrer Entscheidung, obwohl nie ganz klar ist, wer was wann entscheidet bei dem Duo.
Ich treffe nun beinahe täglich auf Morello. Meist an Orten, die sie vorhatte, auszulassen. Teddybär' s Zelt schmiegt sich in der Zwischenzeit eng an Morellos an und die Krisentelefonate mit ihrem Partner zu Hause nehmen an Häufigkeit und Länge zu. Ich hätte mir gut vorstellen können, dass Teddybär Gefallen an der Situation gefunden hat. Aber da “wir“ beschlossen haben umzukehren, ist das natürlich pure Spekulation.
Fortsetzung folgt.
Und während ich das schreibe, sitze ich im Schatten eines grossen Wohnmobils bzw. Aufliegers. Joey und Tom habe beschlossen, heute die durch die Mojavewüste laufenden Hiker zu verwöhnen. Vom Fussbad über Tacos und gekühlte Getränke: alles da.
Es war ein zäher Morgen für mich. Der Weg verlief grösstenteils auf dem Los Angeles Aquädukt, welcher 1913 erbaut worden ist und Wasser vom Owen Valley nach Los Angeles führt. Das Wasser wird ohne Pumpen, nur durch das Gefälle fortbewegt, deshalb die seltsame Linienführung. Ich habe mich schwer getan auf dem harten Untergrund und einfach Meilen “gemacht“ und zwar ab morgens um Vier, wegen der Hitze. Habe mich versucht, auf die Weite, den Himmel und die Wüstenpflanzen zu konzentrieren, es blieb eine freudlose Angelegenheit. Die unerwartete und grosszügige Trailmagic hat die inneren Kämpfe sofort ein Ende gesetzt und seither bin ich wieder des Wanderns froh.
Montag, 22. Mai 2017
Lake Hughes, 22.5.17/ Jahresgedächtnis
Ich denke oft an meine Mutter. Ich meinte, ihre Anwesenheit förmlich zu spüren, als ich mich bei Saufley's an die Nähmaschine zu setzen wagte, um meine Hose zu flicken. Wenn Mutter noch leben würde, sie hätte diesen seltenen Anblick ausgekostet. Sie hätte wohl über ihre in jungen Jahren erworbenen Nähkentnisse referiert und einen Bogen zu den mangelhaften handarbeiterischen Fähigkeiten meiner Generation im allgemeinen und meiner im besonderen geschlagen und sich damit bestens unterhalten.
Unsere Beziehung war über die Jahre zu einer unbelasteten und heiteren gewachsen. Ihre zunehmende Abhängigkeit von fremder Hilfe, hat diese Leichtigkeit und Klarheit nicht beeinträchtigt
, eher zu stärken vermocht.
Morgen jährt sich ihr Todestag. Erinnerungen an ihre letzten Wochen tauchen auf. Die emotionale Achterbahn der letzten Tage und Nächte in ihrem Leben. Die Intensität des bewussten Abschiedes. Manche Dinge hätte ich mir anders gewünscht und haben einen dunklen Nachklang. Ich erinnere mich an meine erste Zenlehrerin, Pia Gyger Roshi. Die sagte ihren hadernden Schülerinnen jeweils: “Bedenke, Gott ist grösser als dein Herz“.
Wir hatten davon gesprochen, meine Mutter und ich, dass ich mir vor dem offiziellen Pensionierung eine Auszeit nehmen werde. Sie wusste auch, dass ich auf sie Rücksicht nehmen würde.
Und jetzt gedenke ich ihrer auf dem PCT und verneige mich vor den Fügungen.
Sonntag, 21. Mai 2017
Samstag, 20. Mai 2017
Agua Dulce, ein Frei-Tag, TM 454, 20.5.17
Es verwundert mich immer noch und immer wieder, dass ich mich an Orten wieder finde, über die ich vorher gelesen habe. Ich sitze im Hiker Heaven. Die Saufley 's, ehemalige Thru- Hiker, stellen ihr Haus und Umschwung seit 20 Jahren den PCT Hikern zur Verfügung. Sie beherbergen max 50 Personen täglich, heute sind wir etwa 35. Das geht generalstabsmässig vor sich. Ein Freiwilliger empfängt einem, weist einem ein: da sind die Wäschesäcke, da die Aufladestationen, dort die Duschliste, hier die Poststation und dort kannst du dein Zelt aufstellen. Agua Dulce hat keine Post, sie übernehmen das. Man kann für den ganzen Service etwas hinterlassen, muss aber nicht. Wirklich beeindruckend.
Habe einige bekannte Gesichter wiedergesehen, eine “gfreute“ Sache.
Der kurze Weg von Acton nach Agua Dulce ist spektakulär. Der erste Teil war geprägt von goldenem Flughafer und Yucca Pflanzen. Ich habe mitten all' dieser Pracht gezeltet, jetzt wieder ohne Aussenhülle mit freier Sicht auf den Nachthimmel. Der zweite Teil der Strecke verlief durch die rötlichen Vasquez Rocks, benannt nach einem Gauner, der sich im vorletzten Jahrhundert dort versteckt haben soll. Erfolglos übrigens. Irgendwann ereilte ihn das Schicksal von Tom Dooley. Die Vasquez Rocks sind durch Form und Farbe anders und Ausdruck einmal mehr von den Verschiebungen um das San Andreas Spaltensystem herum. Die Gegend wird oft als Kulisse für Filme benutzt.
Die Sierra rückt näher und damit die Frage, wie mit dem Jahrhundertschnee dort oben umzugehen ist. (TM 706) Tatsächlich ist es ein Rekordschneejahr; die höchste Schneemenge seit 1982. Warten, bis der Schnee schmilzt, weiter wandern oder, was einige Amerikaner in Erwägung ziehen, nach Ashland reisen und die Sierras von Norden nach Süden zu durchwandern. Mittlerweilen neige ich dazu, gleich weiterzuziehen. Auf Schnee wandern ist zwar mühsam, aber die Schneeschmelze macht die Flüsse vermutlich unpassierbar.
Aber vorerst wartet noch die Wüste, wie es sich anhört, der heisseste Teil der Strecke. Wir streifen die Mojave Wüste. Überhaupt haben die letzten Tage einen gewaltigen Temperatursprung gebracht. Das ist Teil der ersten 1000 km, dieser stete Wechsel von höheren zu niedrigeren Lagen und deren Begleiterscheinungen. Künftig werde ich über die Hitze klönen.
Es schöns Wochenändi, ziehe morgen wieder weiter nach zwei ruhigeren Tagen.
Freitag, 19. Mai 2017
Mount Baden Powell- Los Angeles NF, Acton TM 444
Ich bin wieder einige Klimazonen 'rauf und 'runter gewandert und einige Millimeter auf der Landkarte vorgerückt.
Ich habe das trostlos verlassene und tropfende Besucherzentrum bei Wrightwood verlassen und mich wieder auf den Weg gemacht. Das Wetter besserte sich stündlich, die Nebelschwaden lichteten sich, die Abendsonne drang durch, ich brauchte nicht mit mir zu hadern wegen des gesparten Hotelzimmers. Auf eine kalte Nacht folgte ein klarer, sonniger Tag. Gute Bedingungen, um auf den zu Ehren des Begründers der Pfadfinderbewegung benannten Berges, Mt. Baden- Powell zu steigen. Die Aussicht oben war ebenso lohnenswert wie die windgeformten Limber Kiefern, die ältesten sollen bis zu 2000 Jahre alt sein. Der Abstieg erfolgte über einen langgezogenen Bergrücken oberhalb der unteren Baumgrenze. Für einmal wurde der PCT seinem Namen gerecht.
Nach den Bergetappen wurde der Weg wieder flach. Unabgesprochen bildete sich eine Gruppe von sieben Hikern und ab ging s wie die Feuerwehr. Wir brausten im Höllentempo durch das flache Teil, eine zumindest imaginäre Staubwolke hinter uns her ziehend. Es machte richtig Spass. Der Körper ist eingelaufen, das Fett schmilzt dahin und die Laufmuskeln ausgebildet. Die erste Wasserquelle habe ich zum Anlass genommen, auszusteigen.
Es ist windstill. Der Wind hatte die letzten Tage am Zelt gerüttelt, mich beinahe vom Trail gepustet und vor allen Dingen meinen Kocher in Frage gestellt. Ich habe einige warme Mahlzeiten ausgelassen, weil es in dieser trockenen Gegend bei Starkwinden zu riskant gewesen wäre, damit zu kochen. Das Fonduerechaud, für solche Fälle gedacht, hat den Test nicht bestanden. Ich wusste, dass es langsam war, aber doch nicht ewig. An einem dieser kaffeelosen Morgen hatte ich schweren Herzens beschlossen, mein Holzkocherli zu ersetzen. Gourmet- Heiko hatte mir seinen MSR Kocher mit Name Pocket Rocket vorgeführt, das hat den Entscheid erleichtert.
Es ist windstill. Vorbei die ketzerischen Gedanken über mein Holzkocherli. Ich widerrufe hiermit meine gestrige Entscheidung. Es ist einfach zu schön, vor dem kleinen Feuerchen zu sitzen. Ich mag die Athmosphäre, die es verbreitet. Es macht nichts, dass es länger dauert. Wann immer ich koche, habe ich Zeit, will mich ausbreiten in dieser Zwischenzeit, vor oder nach der Aktivität. Das lässt sich nicht durch ein High- Tech-Gerät ersetzen.
Es gibt Wanderer, die sind zur Gewichtsoptimierung ohne Kocher unterwegs. Sie weichen ihre Mahlzeiten lange genug in Wasser ein und sind damit zufrieden. Unvorstellbar für mich. Ganz zu schweigen vom herzerwärmenden Feuerchen das gerade so gemütlich vor sich hin lodert.
Gourmet- Heiko, ein 20- Meiler, ist mir auch abhanden gekommen. Ich werde ihm vor der Post in Agua Dulce auflauern, wenn er mit seinem zu überschweren Rucksack daher gekeucht kommt. Werde warten, bis er mit seinem überflüssigen Päckli rauskommt und ihm anbieten, seine Last zu erleichtern. Vielleicht werde ich ihm einige seiner Gourmet Menüs abkaufen, wobei, wenn ich es mir so überlege, ist das eine Win- Win- Situation und die sollte man nicht mit finanziellen Überlegungen zerstören.
Ihr seht, das Essen hat nun doch an Bedeutung gewonnen. Sobald ich esse, merke ich, dass ich endlos weiterfuttern könnte.
Was für ein Tag, eben bin ich auf den Campingplatz bei Acton eingelaufen und was höre ich da: “Little Roumänä“. Morello ist ebenso begeistert wie ich, über das unverhoffte Zusammentreffen. Sie hat unsere Gruppe ebenso verloren. Sie verrät mir das Geheimnis ihrer stets roten Lippen, sie sind tätowiert. Das Geheimnis ihrer weissen Fingernägel: ständige, vermutlich obsessive Pflege. Sie hat ihre Anfangsschwierigkeiten überwunden und ist mit ihrem Wanderpartner flott unterwegs. Auf Morello ist Verlass, unsere Wege werden sich wieder kreuzen.
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Donnerstag, 18. Mai 2017
Moderne Probleme
Diesmal wird's ausnahmsweise kurz und bündig. Der Akku ist beinahe leer und die Powerbank tut nicht, wie sie sollte.
Und ich bin ca 2 Tage von der nächsten Ortschaft (Acton oder Agua Dulce) entfernt.
Bei mir läuft alles seinen gewohnten Gang. Nach einigen wettermässig unbequemen Tagen, ist es wieder milder geworden. Der Abstieg in die Wüste steht bevor. Dort dürfte es wieder einheizen. Melde mich am Wochenende wieder, das gibt Euch Gelegenheit mir ausführliche Mails zu schicken.
Montag, 15. Mai 2017
Cajon Pass- Wrightwood TM 369, 15.5.17
Der Weg vom Cajon Pass in die San Gabriel Mountains war eintönig. Er führte durch abgebrannte Flächen, wo noch kein Grün nachgewachsen war. Einzig die Yuccapflanzen leuchteten in ihrem zarten Gelb aus dem Grau-Schwarz heraus. Die Aussicht war umso eindrücklicher: auf den riesigen zurückliegenden Pass, auf die bewohnte Ebene westlich davon.
Ich traf den ganzen Nachmittag keine Menschenseele. Die meisten wollten ausgiebig Zeit im McDonald verbringen. Ich war die erste, die dort eintraf und blieb etwa zwei Stunden. Alle paar Minuten stiessen neue Leute dazu. Als ich ging, sassen da bestimmt 25 Hiker, die allesamt vom Frühstück zum Mittagessen übergegangen waren.
An der Türe traf ich Don, der leicht säuerlich wirkte. Es ist mir unbegreiflich, warum dieser bisher äusserst zuvorkommende Mann auf einmal eine solche Konkurrenzhaltung hatte aufbauen können.
Das Wetter beim Aufstieg kam mir bekannt vor: es blies ein heftiger Wind von der Küste heran. Es schien, als ob der Wind versuchen würde, die Wolken über die westliche Bergkette ins Landesinnere zu treiben. Ein prächtiges Schauspiel, das schon am Gorgonio Pass aufgetreten war. Dort hatten es die Wolken nicht geschafft. In den San Gabriel Mountains hingegen sorgten sie für einen eigentlichen Wintereinbruch.
Ich übernachtete auf knapp 2000 m Höhe. Und ausnahmsweise hatte ich ein ziemliches Gelage. Heiko, der sich im voraus 140 Trekking- Gourmet- Mahlzeiten in 28 Packeten auf die Etappenorte hatte zuschicken lassen, mochte nicht mehr nach. (“ Du wirst der Einzige sein, der nicht abnehmen wird“, habe seine Partnerin gesagt) “Spicy chicken over peanut sauce“ hatte er mir vermacht und dazu gab es ein Bier, das wie von einem Trailangel hingelegt, brandneu am Wege lag. Ich fühlte mich gewappnet.
Gegen morgen um 4:00 begann es leicht zu schneien. Was wie ein Spuk begann, sollte den ganzen Tag anhalten. Eisheilige in Kalifornien, die kalte Sofie, die ist bestimmt schuld.
Die französische Sofie hingegen, die wir schon vermisst glaubten, traf völlig abgehetzt bei McDonald ein. ( Das ist nicht ganz chronologisch, aber der Übergang zu reizvoll, um auszulassen) Das Wandertempo scheint derzeit durch die resolute Tree bestimmt zu werden. Der Rhythmus ist für viele, die zu zweit oder in Gruppen laufen, eine ziemliche Herausforderung. Auch das Rudel hat sich nach wenigen Tagen aufgelöst; zu unterschiedlich die Vorstellungen. Viele haben konkrete Pläne, wieviel sie täglich laufen wollen: 12, 20, 25 Meilen, wissen im voraus, wo sie übernachten werden.
Ich habe lasse mich treiben, möchte mich aber was die tägliche Strecke betrifft, etwas zurücknehmen. Seit heute Montag betrete ich Neuland. Ich war noch nie länger als 3 Wochen fernwandern und habe Respekt davor, was die Beanspruchung auslösen könnte. Ich bin eingelaufen, habe keinerlei Beschwerden und ich laufe wie in Trance. “Högerli uf, Högerli ab.....“ Gleichwohl möchte ich mich nicht verausgaben, nichts überreizen.
Heute bin ich mit dem festen Entschluss, nach der Winterwanderung in Wrightwood zu übernachten, in die Ortschaft gestopt. Äusserst freundliche, hilfsbereite Menschen. Gleichwohl: nichts zu machen. Die PCT Hiker haben den Ort wetterbedingt überschwemmt. Die Betten sind besetzt oder zu teuer. Jetzt sitze ich beim Visitor Center zwar im Trockenen, aber vor geschlossener Tür. Die haben nicht mit mir gerechnet und bei dem Sauwetter vorzeitig geschlossen. Dann halt zurück auf den Trail. Bin gespannt, wie' s weiter geht. Vielleicht ist es einer jener Situationen, wo ich mir in ein paar Stunden die Haare raufen und mich fragen werde, warum ich die 150$ für ein Zimmer nicht hingeblättert habe. Krämerseele!?
Samstag, 13. Mai 2017
Deep Creek- Silverwood Lake- Cajon Pass TM 342, 14.5.17
Was für ein abwechslungsreicher Tag. Vorgestern Freitag folgte der Weg der Schlucht des Deep Creek flussabwärts. Nach 10 Meilen hatte der noch heisse Quellen zu bieten.
Übernachtet haben wir beim Mojave River Damm. Google wusste, dass das Ungetüm zur Flutkontrolle des Mojave River gebaut wurde. Und unter “wir“ sind ein paar Wanderer gemeint, welche die letzten Tage immer wieder aufeinander getroffen sind. Mike, ein Südkalifornier, der seine Violine mitträgt, Sofie, eine Französin, die kaum englisch spricht und ihre chinesische Wanderpartnerin, die kein französisch, dafür englisch spricht.
Es trifft sich oft so, dass auf einer flachen Stelle, in Wassernähe, sich bis Sonnenuntergang einige Leute einfinden und ihre Zelte aufstellen.
Ich zelte mal alleine, mal mit anderen, je nach Lust und Laune, Wasserbedarf und Müdigkeit.
Schade, ich habe “meine“ Clique verloren. Irgendwie waren die ersten Wandertage besonders emotional, mit all' der anfänglichen Verwunderung und Unsicherheiten darüber, sich auf dem PCT zu befinden.
Seit Freitagabend verläuft der Weg in Zivilisationsnähe. Auf dem Silverlake, ein Stausee als Wasserreserve von Los Angeles gebaut, sausen die Motorboote über die Wasserfläche. Kurz, bevor der PCT vom See wegführt, ist eine grosse Picknickanlage. Und dorthin kann man sich Pizza liefern lassen, was ausgiebig genutzt wurde. Das war eine unglaubliche Angelegenheit: nach einer Stunde tauchte der Pizzalieferdienst auf, brachte Pizza, Mineralwasser und Eis. Das war ein Genuss. Mike hat für Sofie und Tree mitbestellt, die seltsamerweise nie aufgetaucht sind. Mike hatte Pizza zum Frühstück. Während ich schreibe, sitze ich im McDonald auf dem Cajon Pass. Wie Ihr sehen könnt, die letzten Tage bestanden aus lauter kulinarischen Höhepunkten.
Eben trifft Don, 65, mit seinem mächtigen weissen Rauschebart ein. Er fragt stets alle Grauhaarigen nach ihrem Alter. Er ist nicht der Älteste auf dem Trail, dieser Rang hat ihm Dave, 66, ein drahtiger Australier, abgelaufen. Und mich fragt er jeweils betont beiläufig, wie ich es denn geschafft hätte, ihn zu überholen. “ I jumped the freight train, Sweetie“
Wenn man sich dem Cajon Pass nähert, wird endlich sichtbar, was schon die ganze Nacht hörbar gewesen ist. Nebst intensivem Strassenverkehr fahren lange Güterzüge langsam und ständig hupend durch die Gegend.
Von oben sieht der Cajon Pass wie umgepflügt aus. Die tektonischen Aktivitäten um die Andreas Spalte scheinen hier besonders sichtbar zu sein.
Ich will wieder los, hoch in die San Gabriel Mountains, bevor die Mittagshitze zuschlägt.
E schöne Sonntig
Mittwoch, 10. Mai 2017
Big Bear Lake- Deep Creek TM 314, 13.5.17
Seltsame Angelegenheit, ein wanderfreier Tag. Ich fühle mich wie zwischen Stuhl und Bank. Big Bear Lake ist grösser, als erwartet und hat mich zur normalen, anonymen Tourist in verwandelt. Eindeutig ein Statusverlust.
Ich befinde mich in einem Hotelzimmer mit allen Bequemlichkeiten, in einer amerikanischen Kleinstadt, mit entsprechendem Angebot. Ein seltsamer Gegensatz zu den einfachen Umständen, in denen ich derzeit lebe. Ich habe diesen oft beschriebenen Hunger und Gier nach allem möglichen Dingen (noch?) nicht. Im Gegenteil, die paar Wandertage scheinen meine Konsumhaltung bereits verändert zu haben. Bin etwas überfordert und abgestossen. Das Phänomen ist bis jetzt bei Weitwanderungen stets aufgetreten. Es führt dazu, dass ich an Gewicht verliere. Auf einer Wanderung von 5 Monaten kann das zum Problem werden. Gleichwohl hoffe ich, dass dieser sogenannte “Hiker Hunger“, mich nicht treffen wird. Es fühlt sich um Vieles freier an,
Habe den Zoo besucht und mir diejenigen Tiere angeschaut, die mir in natura noch nicht begegnet sind. Der Grizzlybär etwa, der dem Ort den Namen gab, seit anfangs 20. Jrh. in den San Bernardino Mountains ausgerottet sind. Unterwegs sind mir einige Schlangen, Vögel, Hasen, Eichhörnchen, Echsen und ein wilder Truthahn begegnet. Corey (100 Meilen- Kaffee) hatte mir erzählt, dass der Truthahn für Amerika von grosser Bedeutung sei. Einer der früheren Präsidenten hätte erwogen, diesen zum Nationalvogel zu erklären. Beide haben wir gekichert, bei der Vorstellung, wie der aktuelle Präsident wohl sofort nach Amtsantritt mittels Dekret einen repräsentableren Vogel in diesen Status erhoben hätte.
Kurz vor BBL eine gewisse Ernüchterung: der Trailhead befindet sich bei Tailmeile 266. Das heisst etwa ein Zehntel des gesamten Weges. Es ist unfassbar weit.
Zurück auf dem Trail verschwinden solche. Überlegungen. Ich laufe einfach, wie hat doch gestern ein Ausflügler gemeint: “ ...und täglich trägst du ein Stücken ab von dem Berg“
Es schöns Wocheändi. Mir jucken die Füsse...muss weiter.
Montag, 8. Mai 2017
Snow Creek- San Gorgonio Wilderness 7.5.17
Nun, meine Welt ist eine einfache: gegen alle Übel gibt es nur ein Rezept: laufen.
Schlechte Laune?
LAUFEN!
Samstag, 6. Mai 2017
Freitag, 5. Mai 2017
Idyllwild, 5.5.17
Gestern (5.5.) stand die erste Bergetappe an; von Idyllwild (1650m) auf den Mount San Jacinto (3301m. Ich verfiel in meinen Geländegang, ein langsames, stetes, vertrautes Aufwärtsgehen, ein Spiel zwischen Armen, Beinen und Atem. Ab 2000m tauchten die ersten Altschneefelder auf. Es waren viele Tagesausflügler unterwegs, es war gut vorgespurt. Oben der fantastische Blick in die Wüste im Osten (Palm Springs), die Windfarm im Norden und den San Gorgonio Pass, der von hier oben allerdings mehr wie einen Einschnitt in die Bergkette ausschaut, wo die Interstate 10 durchführt. Was für Kontraste. Beim Abstieg traf ich auf einige Zelte, wo ich äusserst freundlich begrüsst wurde. “ Hello little Roumänä“. Tatsächlich, Morello, hatte mit ihrem derzeitigen Wanderpartner ihr Zelt hier aufgeschlagen. Wir begrüsssen uns immer mit grosser Begeisterung, gesprochen haben wir seit seit Warner Springs keine drei Sätze. Egal, Freude herrscht.
Mit den Namen ist es so eine Sache. Ich hatte die letzten Tage verschiedenste Vorschläge für einen Trailnamen gehört; stets war von meiner Kondition die Rede und- von meinen muskulösen Waden. Wie oft habe ich seit Beginn gehört, dass ich “wonderful calves“ hätte. Mir ahnte Schlimmes, was meine Namensgebung betrifft.
“Pocket Rocket“ sei mein Trailname, haben mir gestern Red Back und Drop Bear eröffnet. Ich hatte die beiden australischen Frauen, wegen der Heidi- Geschichte bis jetzt aus meinem Blog verbannt. Das weise sowohl auf die Körpergrösse und auf auf gewisse Zähigkeit hin, die ich zweifelsfrei hätte.
“Pocket Rocket“ also.
Und zwischendurch “Little Roumänä“
Donnerstag, 4. Mai 2017
Mittwoch, 3. Mai 2017
Idyllwild, 4.5. 17
Vor Idyllwild ist der PCT wegen eines Waldbrandes 2013 für 10 Meilen gesperrt. Das fragile Ökosystem braucht Jahre, bis es sich wieder erholt hat. Es gibt verschiedene Varianten, damit umzugehen. Man geht oder fährt vom Paradise Valley Cafe die 14 Meilen nach Idyllwild. Man geht bis zum Sperrgebiet, geht dann zur nächstgelegenen Strasse geht oder fährt die verbleibenden 10 Meilen der Strasse. Oder als 3. Variante man geht man bis zum Sperrgebiet und von dort eine Alternativroute von 24 Meilen ins Dorf. Ich habe mich für diese entschieden. Ich bin keine Puristin, so nennt man jene, die keinen Zentimeter des Trails auslassen dürfen. Ich möchte einfach den ganzen Weg nach Kanada laufen, auch wenn ich manchmal auf Alternativrouten ausweiche.
Die letzten Tage hatte sich das Feld “the bubble“ aus gedehnt und gelichtet. 20% würden schon in der ersten Woche aufgeben. Ich bin die letzten zwei Tagen nur wenigen und unbekannten Leuten begegnet. Ob ich zwischen zwei Gruppen geraten bin?
Ich wandere über den felsigen und bergan gehenden Weg -und wenn treffe ich unverhofft am Wegrand sitzend? Cotton Candy. Sie hatte die Nacht bei Freunden verbracht und sitzt frisch wie eh und je unter ihrem Sonnenschirm.
ÖlVor mir geht ein junger Franzose, ein lieber Kerl. Er hat die Angewohnheit, dass er über Nacht vergisst, dass er sich im englischen Sprachraum befindet und am Vormittag- zur Verblüffung der Amerikaner- jeweils französisch spricht. Er ist schnell unterwegs und wir drei, die wir die Einzigen auf der Bergroute zu sein scheinen, verlieren uns schnell aus den Augen. Der Weg in die San Jacinto Berge ist anstrengender als die vorhergehenden Meilen, aber auch sehr abwechslungsreich. Ab einer gewissen Höhe wachsen die Bäume wieder, sie scheinen mehr Wasser zu haben. Unglaublich die Formenvielfalt und Zähigkeit der Manzanitas. Und die Blumen!
Im Osten, unten im Tal wird Palm Springs sichtbar. 41°hatten die gestern.
Heute morgen stelle ich fest, dass die Alternativroute zwei Meilen innerhalb des Sperrgebietes abzweigt. Das unterlasse ich und gehe runter zur Strasse. Dort stecke ich mir erstmals die Kopfhörer an. Mit June Carter und Johnny Cash lege ich einen Powerwalk auf der Strasse hin, an dem ich zwischendurch zweifle. Ob es eine Rolle gespielt hätte, wenn ich den Daumen hochgehalten hätte? Ich habe diesen Eindruck, ich werde noch oft in diese Situation geraten und möchte mein Vorhaben nicht durch Ausnahmen gefährden.
Aufmunterung gab es zweimal; einmal als ein Truckfahrer mit der einen Hand sein Horn blies und mit der anderen den Daumen in die Höhe reckte. Später hielt Ricardo mit seiner Harley, um mir vom lokalen Jerky zu geben.
Mit “Class 17“ fasst man alle diesjährigen PCT Hiker zusammen. Und wie ein Klassentreffen fühlte es sich an, als ich in Idyllwild eintraf. Die erste, die mir um den Hals fiel, war Morello. Ich traf sie mehrfach wieder, diesselbe begeisterte Reaktion; ob sie mich wohl verwechselte? Kevin war da, Alex und all' die vertrauten Gesichter. Ich hatte irgendwie gehofft, dass wir in der Zivilisation mehr Zeit füreinander hätten. Eine Täuschung: es gibt viel zu tun. Zimmer finden, einkaufen für die nächste Etappe, Wäsche waschen, zur Post gehen, Ausrüstung anpassen etc.
Die Gespräche werden folgen, lassen sich aber genauso wenig planen wie die Begegnungen.
Kaum habe ich meine Sachen erledigt, bin ich nur noch erschöpft. Mag nicht mal mehr auswärts essen gehen, Picknick im Zimmer, was durchaus seinen Reiz hat. Das Wetter soll Samstagnacht umschlagen. Ich gehe deshalb morgen Mittag schon wieder los, um die höchste Stelle der Jacinto Mountains vor dem Wetterumschwung zu bewältigen.
Dienstag, 2. Mai 2017
Unterwegs nach Idyllwild
Siebzig Zelte standen am Sonntagabend unter der grossen Eiche in Warner Springs. Am Agua Caliente Creek, wo ich übernachtete, ging es ruhiger zu und her. Nach und nach traf die Ü- 55 Fraktion ein. Vier Zelte standen bei Sonnenuntergang am Bach.
Der Massenauflauf in W.S hatte mit der Post zu tun. Die meisten warteten darauf, am Montag ihr Versorgungspaket abholen zu können. Andere wiederum pausieren, weil sie ihre Füsse pflegen müssen. Es ist unglaublich, was man da sieht. Grosse, blutige Blasen an den Füssen und sogar Blasen an den Schultern soll es geben. Es scheint, als ob einige noch nie einen Rucksack getragen, noch nie gewandert sind. Der PCT ist bis jetzt nicht anspruchsvoll zu gehen: ein sanftes Auf und Runter durch Trockenland. Er ist von daher für AnfängerInnen zu bewältigen, man wünschte ihnen, dass sie weniger schmerzhaftes Lehrgeld zahlen müssten. Ich selber habe eine empfindliche Stelle am rechten Fuss, und,- Überraschung-: eine Druckstelle am rechten Ohr. Schuld daran ist die korrigierte Sonnenbrille, die ich nicht gewohnt bin, ständig zu tragen.
Die trug ich auch, als ich endlich mal eine richtige Begegnung mit einer Klapperschlange hatte, nicht nur das flüchtende Hinterteil. Sie musterte mich, ich sie und dann gab sie den Weg frei, ohne mich anzuklappern. Das hatte Stil und mildert meine leichte Hysterie den Schlangen gegenüber.
Beim Wasserfiltern am Tule Canyon Creek, 136 Meilen, hat mir jemand gesagt, dass das Paradise Cafe, 153 m, entgegen anders lautender Informationen heute bis 15.00 geöffnet hätte. Es war 9.30, wenn ich mächtig aushole, würde ich es gerade noch schaffen. Gegen 13.00, ich war im Plan, begann ich schon bei leichten Steigungen zu keuchen wie Morello, als ich ihr das erste Mal begegnete. Man geht anders, wenn man ein bestimmtes Ziel hat, “ Greng abe o loufe“ und nimmt nicht mehr viel von der Umgebung und die eigenen Warnzeichen wahr. Ich würde dort völlig ausgepumpt ankommen, der Wirt würde sein Cafe schliessen und ich würde “fox devil 's wild“ deswegen. Auf ihn selbstverständlich.
Gerade rechtzeitig tauchte eine kleine Picknickstelle namens “Walden“ auf. Da ging ich erst vorbei und nach intensivem Selbstgespräch ging ich zurück. Nun sitze ich - Thoreaus 200. Geburtsjahr sei Dank- auf einem Stuhl im Schatten eines Manzanita Strauches und wundere mich über meine Gedankensprünge.
PS Bitte keine Päckli schicken. Es gibt die ersten 1000km genügend Einkaufsmöglichkeiten. Und zudem sind die Hikerboxen übervoll. Einige scheinen sich völlig überschätzt zu haben und was man nicht mit tragen will, landet in der HB.