Donnerstag, 21. September 2017

Grenze USA/Kanada/19.9.17/TM 2650

Der "Hikerchueche" geriet nochmals in helle Aufregung. Wir waren kaum in Stehekin dem Shuttle Bus entstiegen, als uns mitgeteilt wurde, dass eine Kaltfront im Anzug und am Sonntagabend (17.9.) ein Schneesturm zu erwarten sei. Es gab unterschiedliche Reaktionen; manche verkürzten ihre Zeit in Stehekin, um in einem Kraftakt die 80 Meilen zur Grenze hinter sich zu bringen, im Internet wurde nach einem Wetterbericht, der einen besser zusagte, gesucht,  manche verlängerten ihren Aufenthalt im Dorf und andere setzten ihre Wanderung nach Norden wie geplant fort. Zu Letzteren gehörte ich. Ich genoss den Aufenthalt in
Stehekin, einem kleinen, reizvollen Nest am Lake Chelan, das nur mit Schiff oder zu Fuss erreichbar ist. Es hat ein paar Meilen Strasse und auf dieser fährt ein Shuttle Bus, der die Ausflügler und Wanderer ins Dorf fährt. Ein weiterer Ort, wo ich länger bleiben könnte, aber nicht wollte: es war an der Zeit, den PCT abzuschliessen, trotz schlechter Wetterprognose.

Wir begannen den letzten Abschnitt des PCT am Samstag. Wir, das sind Mashed Potatoes und Iron Man, ein junges Paar aus Süddeutschland. Wir haben es gut miteinander und werden den Weg an die Grenze gemeinsam gehen.
Am Sonntagnachmittag wurde es merklich kühler und es begann zu regnen. In der Nacht begann es zu schneien, ein leichter Flaum bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt verzauberte die Welt. Wobei ich sie beim Aufwachen nicht verzaubert fand, auch nicht beim Hineinschlüpfen in die gefrorenen Schuhe. Die leicht verschneite Landschaft, die braun- roten Flächen über der Baumgrenze und der bewegte Himmel, das vermochte ich erst zu würdigen, nachdem wir unterwegs und mir wieder warm war. Der Wetterumschwung ist nach der langen Trockenperiode gewöhnungsbedürftig. Ich hatte stets gewitzelt, dass in diesem wettermässig verrückten Jahr uns ein früher Wintereinbruch in Washington noch fehlte. Nun ist er da.
Am Montagabend fällt die Temperatur weiter, nachts beginnt es erneut zu schneien und in unteren Lagen schlägt der Schnee in Regen um.

Am Montag (18.9.) hat es viele Leute unterwegs. Ab Hart s Pass kamen uns immer mal wieder Leute entgegen, die an der Grenze umkehrten und via Hart s Pass zurück in die Zivilisation gehen. Kevin kommt mir entgegen. Er ist am selben Tag gestartet wie ich und wir haben uns aus den Augen verloren. Welch' Freude. GiGi ist mit ihm unterwegs, ein frühpensionierter, ehemaliger Bundeswehrangestellter, den ich in Kennedy Meadows das letzte Mal gesehen habe.
Sad Dog kommt uns mit triefenden Augen entgegen. Unsere Gratulationen perlen an ihm ab. Er ist zutiefst bekümmert über das Ende des Trails. Er werde- wie alle nach dem Trail- in eine tiefe Depression verfallen. Sein Alltagsleben sei trist, das Trailleben das Wahre.

Alle sprechen mit allen; beim Kreuzen grüsst man leger mit dem Hikergruss: man tippt sich gegenseitig mit der Faust an.

Am Dienstag, 19.9.17/11:11 komme ich beim Northern Terminus an. Eine Gruppe junger Leute applaudiert den Ankömmlingen, feiert ihre Ankunft mit allerlei Unfug. Bei mir herrscht keine Feststimmung, ich bin einfach nur froh und dankbar, dass ich die kanadische Grenze erreicht habe. Das Wetter war dermassen garstig, ich wollte nur noch ankommen.
Alles andere nachher. Nach Fotos und Gratulationen verabschiedete ich mich von Mashed Potatoes und Iron Man, kehre um und mache mich auf den Rückweg zum Hart s Pass. Ich will erst zum Ende meiner Reise nach Vancouver, deshalb habe ich mich für diese Variante entschlossen. Und vielleicht hilft das Laufen mir, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Ich bin den PCT von der mexikanischen bis zur kanadischen Grenze gelaufen. Es ist irgendwie nicht fassbar.

1 Kommentar:

  1. Wir gratulieren. Wir haben Deine Berichte immer interessiert gelesen, Du schreibst wirklich amüsant und äusserst unterhaltsam! Wir wünschen Dir eine gute Heimreise und vor allem ein gutes Ankomnen zu Hause.
    Bis bald. Wir grüssen Dich aus der Bretagne
    Susanne & Urs

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